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Lernbehinderung oder Lernbeeinträchtigung

Was versteht man unter einer Lernbehinderung?

Früher wurde zwischen „Lernschwierigkeit“ und „Lernbehinderung“ unterschieden, um den zunehmenden Schweregrad von Lernproblemen zu benennen. Letztere gilt als Behinderung, Erstere nicht. Heute spricht man stattdessen von Lernschwierigkeit und Lernbeeinträchtigung.

Bei einer Lernschwierigkeit (auch Lernstörung, Lernschwäche) bestehen die Lernprobleme nur vorübergehend, nur in leichter Ausprägung oder nur für Teilbereiche des Lernens (wie z. B. bei Legasthenie). Man schätzt, dass mehr als 20 % aller Kinder und Jugendlichen davon betroffen sind. Lernschwierigkeiten werden oft auch Jugendlichen zugeschrieben, die als „nicht ausbildungsreif“ eingestuft werden.

Eine Lernbehinderung oder Lernbeeinträchtigung wird dagegen als ein schwerwiegendes, lange andauerndes und sich auf verschiedene Bereiche erstreckendes Lernproblem definiert.

Die Grenzen zwischen beiden sind aber fließend. Immer geht es um ein Missverhältnis zwischen den individuellen Lernmöglichkeiten und den schulischen Anforderungen. So kann es vorkommen, dass eine bloße Lernstörung sich zu einer „Lernbehinderung“ ausweitet, weil der*die Schüler*in durch Misserfolge immer stärker verunsichert wird. Es ist also nicht einfach, eine Lernbeeinträchtigung im Sinne einer Behinderung klar zu definieren und von verwandten Begriffen wie Lernschwierigkeit, Lernstörung, Lernschwäche, Schulleistungsschwäche oder Lernversagen abzugrenzen. Lernbeeinträchtigungen sind auch nicht einfach mit einer Intelligenzschwäche gleichzusetzen.

Kritik am Begriff „Lernbehinderung“

Dass der Begriff „Lernbehinderung“ heute meist durch „Lernbeeinträchtigung“ ersetzt wird, liegt daran, dass das Wort „Behinderung“ von vielen als stigmatisierend empfunden wurde. Dabei waren die Worte „Lernbehinderung“ und „lernbehindert“ um 1960 eigens eingeführt worden, weil man die „Hilfsschule“ durch die weniger stigmatisierend klingende „Schule für Lernbehinderte“ ersetzte. Heute wird aber eine Etikettierung der Betroffenen als „behindert“ und eine Förderung in abgesonderten Schulen immer stärker infrage gestellt. Stattdessen ist zunehmend Inklusion angesagt, also gemeinsamer Unterricht in den allgemeinen Schulen für alle Kinder und Jugendlichen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Lernzielen. Bei der Inklusion werden Schüler*innen mit Lernproblemen besonders gefördert; das Motto dabei lautet „die Expert*innen zu den Schüler*innen“ statt „die Schüler*innen zu den Expert*innen“.

Eine praktische Bedeutung hat die Diagnose „Lernbehinderung“ aber bis heute bei der Feststellung eines Anspruchs auf besondere Förderung und Unterstützung.

Gründe für Lernbehinderungen/Lernbeeinträchtigungen

Lernbeeinträchtigungen können viele Ursachen haben. Neben biologischen Ursachen wie Störungen der Gehirnfunktionen durch genetische Abweichungen, vorgeburtliche Schädigungen oder Unfälle können auch ungünstige soziale und psychologische Bedingungen eine Lernbehinderung verursachen.

Kleinkinder, die vernachlässigt werden, zeigen oft Entwicklungsstörungen, die zu Lernbeeinträchtigungen führen können. Manchmal werden auch psychische Probleme wie massive Schulangst  fälschlich als Lernbehinderung diagnostiziert.

Arbeitsrechtliche Bedeutung der Diagnose „Lernbehinderung“

„Lernbehinderte“ gehören zu den Personen, die einen gesetzlichen Anspruch (nach SGB III) darauf haben, dass ihre Teilhabe am Berufsleben gefördert wird. Das gilt auch für erwachsene Betroffene. Das Berufsbildungswerk Südhessen bietet jungen Menschen mit Lernbeeinträchtigungen nachhaltige Unterstützung beim Einstieg in Ausbildung und Beruf. Der Weg dorthin führt über die Reha-Beratung der örtlichen Agentur für Arbeit.